Freitag, 29. März 2013

Lochfraß

Dienstag, 26. März 2013, Galapagos, Wreck Bay, Puerto Baquerizo Moreno, Lochfraß am Augterminal im Masttop

In der Nacht werden wir mehrfach durch Grunzen, Brüllen, Rülpsen, Schnauben und Prusten geweckt. Auf unserer Badeplattform scheinen sich Kämpfe um die Gebietshoheit zwischen mehreren Seelöwen abzuspielen. Natürlich haben wir keine Lust, aufzustehen. Man könnte sie vertreiben, aber das hielte sicher nicht lange vor.

Da das Wasser sehr ruhig ist und die Gipsy kaum schaukelt, steht nach dem Frühstück, das wir heute an Bord einnehmen, eine Rigg-Inspektion auf dem Programm, da wir irgendwann in den nächsten Tagen gern weiterfahren würden. Ich klettere in die Takelage, bewaffnet mit Kamera und Polierwatte. Wie am Edelstahl an Deck, hat sich auch auf den Wanten und den Terminals in und seit Panama relativ viel Flugrost angesetzt. Ich putze vor allem die Terminals, die am Ende der Drahtseile die Wanten und Stage mit dem Mast verbinden und bekomme einen Schreck, als ich schließlich beim Achterstag Terminal oben im Masttop angekommen bin. In einem begrenzten Bereich ist deutlich Lochfraß zu erkennen, den ich bei meiner letzten Inspektion vor ein paar Wochen (Tagebucheintrag vom 16. Februar: „sieht alles gut aus“) nicht entdeckt hatte. Ich mache mehrere Makro-Fotos, um mir den Fall später ansehen und mit anderen Seglern diskutieren zu können. So ein Teil kriegt man hier nicht und wie lange es dauern kann, bis hier etwas ankommt, wissen wir von Kay. Er wartet schon drei Monate auf seine Wanten. Das Achterstag ist enorm wichtig und ein Bruch des Terminals auf See würde vermutlich den Verlust des Mastes nach sich ziehen.

Zum Mittagessen sind wir mit Johannes, einem Teilnehmer unserer 4-Tages-Rundreise verabredet. Er hat leider seine Kamera verloren und nun bekommt er unsere gesamte Fotoausbeute als Kopie. Im Mockingbird gegenüber sitzt die Besatzung von der Giggles und LiWard. Ich frage, ob einer von ihnen zufällig ein passendes Terminal im Bestand hat. Das ist nicht der Fall, aber Lilly von der LiWard wird möglicherweise nach Miami fliegen, um für sich selbst Ersatzteile einzufliegen. Sie bietet an, das Terminal und zwei Meter Draht (zwischen Terminal und Isolator) mitzubringen. Das wäre schon mal Glück im Unglück. Aber erst einmal muss sie die Flüge buchen, die ziemlich umständlich sind, mit Umsteigen in Quito und auf einem Flug sogar einer notwendigen Übernachtung in der Hauptstadt von Ecuador. Es folgen Internetrecherchen hinsichtlich Bestellmöglichkeiten in den USA. Als wir zu Mittag bei Herbert sitzen, taucht auch Kay wieder auf, der eine Woche Urlaub auf dem Festland gemacht hat. Auch unser Agent läuft uns über den Weg. Glücklicherweise kann Herbert übersetzen, denn Bolivar spricht kein Englisch. Ich will wissen, ob wir unseren Aufenthalt über die 20 Tage, die uns zugestanden wurden, verlängern können. Das sei kein Problem, sagt er, fragt aber gleich, auf welche Weise wir denn das Ersatzteil bekommen würden. Auf postalischem Wege, egal ob FedEx oder DHL, kommt hier offenbar selten etwas an. Und wenn, dann dauert es unvorstellbar lange. Auch wenn ich glaube, und die anderen Segler auch der Meinung sind, dass wir bei gemäßigtem Segeln (frühzeitig reffen, nicht schneller als 5 Kn fahren) damit noch einige Zeit unterwegs sein könnten, ohne dass das Teil bricht, möchte ich doch lieber eine Reparatur durchführen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Anschließend zum Handyladen. Die 300 MB Datenvolumen der SIM Card sind abgelaufen. Nachkauf ist nur einmal innerhalb der 4 Wochen Laufzeit als 100 MB Paket für 6,30 Dollar möglich. Die Eingabeprozedur auf dem iPhone dauert 20 Minuten. Die Bedienung im Laden spricht kein Wort Englisch. Ziemlich mühsam, die Übung.

Wieder an Bord zurück, steige ich noch mal in den Mast, um die genauen Maße für die Teile zu nehmen, die ich bestellen muss, falls es mit der Reise von Lilly wirklich klappt. Falls sie fliegt, wird sie wohl mindestens eine Woche unterwegs sein.

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Blick aus dem Masttop auf Puerto Baquerizo Moreno, der Hauptstadt von San Cristobal und auch des gesamten Galapagos Archipels. Die Alua ist das zweite Boot, etwas rechts der Bildmitte. Das blaue Boot mit hellem Deck hinter der Alua ist die Frangipani von Kay. Gegenseitige Besuche fallen hier übrigens flach, weil kaum jemand sein Dinghy im Wasser hat. Wenn man sie am Dock parken oder hinter dem Schiff schwimmen lassen würde, lägen sofort mehrere Seelöwen drin. Das Hauptproblem dabei sind die Hinterlassenschaften dieser Viecher, die stinken und nur sehr schwer wegzubekommen sind

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Dieses Teil ist vom Lochfraß befallen. Zwar nur an einer - im Vergleich zum gesamten gewalzten Bereich - kleinen Stelle. Aber trotzdem: Bei der großen Distanz, die wir vor uns haben, ist es mir lieber, noch hier auf Galapagos ein neues Terminal einzubauen

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Mittwoch, 27. März 2013, Galapagos, Bestellung Augterminal

Am Vormittag fahren wir wieder zum Frühstück an Land. Es ist so reichlich, dass ich heute kein Mittagessen brauche. Anschließend ins Mockingbird. Dort tauchen gegen Mittag auch Lili und Steve von der LiWard auf und bestätigen, dass Lili am Sonntag einen Flug nach Florida gebucht hat. Also kann ich die Ersatzteile bei West-Marine,zur Lieferung an das Appartement der beiden in Florida, bestellen: Ein Schraub-Terminal zur Selbstmontage, zwei Meter Wantendraht und ein paar Cones, die man bei einer erneuten Verschraubung der Norseman Terminals braucht, da sich diese beim Zusammendrehen verformen. Lili wird für uns also etwa 2,5 kg „Edelstahl“ aus Amerika mitbringen. Leider kommt sie erst am Dienstag der Folgewoche wieder zurück, aber dieses ist eindeutig die sicherste Variante, Ersatzteile hierher zu bekommen. Alles andere ist schlichtweg unkalkulierbar, jedenfalls dann, wenn es als Päckchen oder Paket durch den Zoll geht.

Die Arbeit, die dann anfällt, besteht darin, das Achterstag abzunehmen, den Teil des Drahtes oberhalb des oberen Isolators (nötig, weil ein Teil des Achterstags als Kurzwellenantenne genutzt wird) abzuschrauben, den neuen Draht auf Länge zu schneiden, wieder an den Isolator anzuschließen (neuer Konus einzubauen) und oben das neue Augterminal aufzuschrauben. Dann das Achterstag wieder montieren. Noch einfacher ginge es, wenn es ein verlängertes Augterminal gäbe, dann könnte man sich die Erneuerung der 2 m Draht ersparen.

Dass es tatsächlich genau so ein Teil gibt, findet Kay heraus, allerdings erst 2 Stunden, nachdem ich die Bestellung bei Westmarine aufgebeben hatte. So’n Sch …! Ich frage bei 2 verschiedenen Firmen an, ob sie dieses Teil ggfls. als Brief nach Galapagos schicken können. Kay hat das schon mit einem Lager durchexerziert. Der Brief war ziemlich schnell da, weil er nicht durch den Zoll gegangen ist. Bin gespannt auf die Antworten. Möchte Lili nämlich nicht noch mehr Gewicht in ihrem Koffer bescheren und möglichst auch nicht offenbaren, dass ich zu deppert war, selbst herauszufinden, dass es dieses Teil gibt, was ihr nämlich ein paar kg beim Transport erspart hätte. Bei dem lahmen Internet dauerte allerdings der Bestellvorgang bei Westmarine schon fast 2 Stunden. Entsprechend lange brauchen auch die Recherchen.

Am Nachmittag sind wir an Bord, trinken Kaffee und machen uns dann daran, unsere Bade-Plattform möglichst noch seelöwensicherer zu machen. Die Seitenwände dort hinten am Heck sind derart dreckig vom Auswurf, den die Viecher aus ihren Mäulern produzieren, dass es mit normalem Schrubben gar nicht mehr sauber zu bekommen ist. Selbst mit Politur ist die braune Sauce nur mit sehr viel Mühe (geschätzt 5 Stunden Arbeit) wegzukriegen. Wir hoffen, dass wir die Fender nun so positioniert haben, dass kein Tier mehr dort Platz hat. Bin sehr gespannt.

Am Abend wieder mal große Runde im Mockingbird (Aluas, Kay, Herbert, Johannes und wir), heute allerdings wenig kommunikativ, denn alle sitzen vor ihren Laptops oder iPads. Da das Netz so langsam ist, braucht alles unendlich viel Zeit. Peter wurde übrigens gestern von einem Seelöwen gebissen, als er ihm etwas nahe gekommen ist. Drei der Eckzähne haben sich in seine Wade gebohrt. Aber mit Desinfektion und einem Besuch im Krankenhaus heute wird er die Attacke schon gut überstehen.

Als wir an Bord zurückkommen, liegt wieder so ein Brocken von Seelöwe unter unseren Kugelfendern. Wir verscheuchen ihn und bauen zusätzlich noch ein Paddel ein. Vielleicht hilft das ja dann.

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Es ist einfach nicht zu glauben. Bisher haben wir es noch nicht hingekriegt, unsere Badeplattform vor den Viechern zu sichern

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