Freitag, 7. Dezember 2012

Behördenwahnsinn

Donnerstag, 6. Dezember 2012, Curacao Marine, Der ganz normale Behördenwahnsinn

Der Tag fängt eigentlich gut an, als ich um kurz nach Acht im Postamt anrufe und Mrs. Martina mir mitteilt, dass ich das Ersatzteil heute abholen könne. Also packe ich nach dem Frühstück eines der Klappräder aus und mache mich startklar. Es sind etwa 6 Kilometer über stark befahrene Straßen zu fahren, aber ich rüste mich mit dem iPod und allen Papieren aus und radle frohgemut los. Nassgeschwitzt komme ich an und ziehe als erstes mal die Nummer 43 an der Nummernmaschine (13 ist gerade dran!). Im Customer Service bekomme ich auch bald einmal meinen Zettel mit der nunmehrigen Tracking-Number.

Nach einer Stunde Warten bin ich dann dran. Dran sein heißt, dass das Päckchen jetzt in den Regalen gesucht wird. Ein System scheint es nicht zu geben, denn zwischenzeitlich sind 3 Leute mit der Suche beschäftigt. Nach 10 Minuten wird einer fündig und liefert die Schachtel an einem Schreibtisch im Hintergrund ab. Wieder 5 Minuten später werde ich aufgerufen. Ich solle hinter den Schalter zu der Dame an den Schreibtisch kommen. Die etwas korpulente Lady trägt eine Zoll-Uniform und meint, ich müsse, um das Ding in Empfang nehmen zu können, noch ein grünes Formular ausfüllen. Dieses gäbe es im Zollamt in Punda. Alles Betteln und Flehen nützt nichts. Sie hat zwar Verständnis dafür, dass es doch sehr mühsam ist, mit dem Klapprad 8 Kilometer zum Zoll und wieder zurück zu fahren, nur für diesen grünen Zettel und sie ist auch überaus freundlich. Aber umstimmen lässt sie sich nicht. Wenn nicht alle Leute bei dieser Umstandskrämerei so freundlich wären, könnte man hier zum Terroristen mutieren und den ganzen Laden in die Luft sprengen. Glücklicherweise frage ich noch mal detailliert nach, was denn mit dem grünen Zettel zu geschehen habe; ob da auch ein Stempel drauf müsse. Ja, ja, natürlich. Ob es eine Mittagspause im Zollamt gibt? Nein. Wie lange denn hier dieses Office geöffnet habe? Bis 17 Uhr. Ob ich dann noch mal eine Nummer ziehen und wieder eine Stunde warten muss? Nein, nicht nötig (na immerhin etwas…).

Also radle ich mit einer ordentlichen Wut im Bauch (nicht, dass ich es besonders eilig hätte, aber die Wut stellt sich einfach aus Prinzip ein) zum Customs Gebäude in downtown Punda. Dabei muss man einen ziemlichen Berg raufradeln. Nach einer halben Stunde komme ich wieder einmal nass geschwitzt in die Klimaanlagenkälte der Büros. Ja, so ein Formular kann ich an Schalter sowieso bekommen. Dort bedient eine junge Schwarze. Der Zettel kostet 50 Cents (lokale Gulden, also etwa 25 Euro-Cent). Ich biete eine 25 Gulden Note. Oh Gott, die kann sie nicht wechseln. Ich biete 35 cents Kleingeld. Nein, das ist zu wenig. Zwischenzeitlich frage ich, was ich denn auf den Zettel schreiben muss und wo ich den Stempel bekomme. Nein, einen Stempel brauche ich nicht. Nur den Wisch bezahlen und dann wieder zum Postamt. Nee, Fräulein, so leicht legt Ihr mich hier nicht rein. Ich bleibe hartnäckig und schließlich lässt sie sich erweichen, mal einen Kollegen zu fragen. Ein wichtig aussehender Mann mit ein paar Sternen auf den Schulterklappen und Schirmmütze nimmt sich der Sache an. Doch, doch, auf diesem Formular braucht es ein amtliches Siegel. Aber erst mal die Sache mit den 50 Cents klären. Der wichtige Mensch nimmt sich meinen 25er Schein und geht rüber zum Fischmarkt zum wechseln. Er kommt mit zwei Zehnern und einer 5 Gulden Münze zurück. Nein, die kann die Dame auch nicht wechseln. Ich sage, behaltet die 5 Gulden und lasst uns weitermachen. Das geht auch nicht! Schließlich stehen 3 Zollbeamte beieinander und wühlen in ihren Portemonnaies. Einer kann schließlich wechseln.

Dann schleppt mich der wichtige Mensch in sein Büro. Mit allergrößter Gemütsruhe füllt er für mich den Wisch aus (was eigentlich Aufgabe eines Agenten !! wäre) und kümmert sich zwischenzeitlich eine Viertelstunde um das Anliegen eines inkompetenten Kollegen, der mit einem Skipper nicht weiter weiß. Endlich, nach etwa 45 Minuten, ist das Ding fertig. Nun muss ich 7,50 Gulden berappen. Ich mit meinem 10er Schein wieder zur Kasse. Nein, den kann sie nicht wechseln. Wieder wollen sie nicht einfach die 10 Gulden behalten, weil ich aufs Wechselgeld verzichte würde. Wieder geht einer zum Fischmarkt. Als ich wieder abrauschen kann, bin ich schon fast 3 Stunden unterwegs.

Weil die Marina am Weg zum Postamt liegt, fahre ich mal kurz an Bord vorbei. Einerseits, um etwas zu trinken und zu essen. Andererseits, weil ich befürchte, dass meine liebe Mrs. Vivien Customofficer vielleicht gerade in der Mittagspause sein könnte, wenn ich da wieder schweißgebadet aufschlage. Diese Entscheidung war gut, denn Christoph bietet mir an, mich mit seinem Leihwagen zur Post zu fahren.

Tatsächlich werde ich gleich zu Mrs. Vivien durchgelassen, es werden noch ein paar Zettel ausgefüllt, ich muss noch mal 7,50 Gulden bezahlen und dann ist es geschafft.

Jetzt schnell zum Mechaniker und das Ersatzteil abliefern, damit er es einbauen kann. Der Bursche ist aber unterwegs und kommt erst um halb vier zurück. Morgen fliegt er in die USA. Aber als ich dann in seinen workshop gehe, ist er tatsächlich schon dabei, das wormwheel wieder in die Winsch einzusetzen, was sich allerdings als schwierig gestaltet. Jetzt sehe ich auch, dass ich das keinesfalls mit Bordmitteln hätte selbst machen können. Um die starke Feder herunterzudrücken, bevor man den Sprengring einsetzen kann, bedarf es einer hydraulischen Presse. Und dann stellt sich nach einer Stunde bastelns heraus, dass mein Ersatzteil um ein paar Zehntel Millimeter höher ist, als das alte. Das müssen sie dann morgen früh abdrehen. Jack, der Mechaniker, verschiebt seinen Flug in die USA auf Samstag. Ob wegen mir, frage ich lieber nicht.

 

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Postamt in Kwartier, etwa 6 oder 7 Kilometer von der Marina entfernt

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Blick oben vom Berg auf Punda. Das Customs Office liegt im Ortskern, ungefähr dort, wo das Kreuzfahrtschiff zu sehen ist

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Schön eingerichtetes Büro im Hauptzollamt, bestens klimatisiert. So gesehen gäbe es überhaupt keinen Grund, warum sich hier alle wie Schlaftabletten bewegen und alle Vorgänge maximal im Schneckentempo ablaufen. Mit dem iPhone ist man ja tollerweise so ausgerüstet, dass man in seinem Roman weiterlesen kann, während man vor dem verwaisten Schreibtisch sitzt, oder die neuesten Nachrichten in Spiegel online abruft

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Blick auf die Werft bzw. die Steganlage der zugehörigen Marina, wo wir nun schon seit 3 Wochen unser zu Hause haben

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Das Wormwheel. 100 Euro Warenwert, 50 Euro Transportkosten und 16 Tage für den Weg von Deutschland nach Curacao, plus 2 Tage für den Zoll (was angesichts der Weihnachtszeit und der sonstigen Laufzeiten wirklich super kurz ist, wie ich mittlerweile weiß. Mrs. Martina muss sich ganz vehement für mich ins Zeug gelegt haben). Es sind alle wirklich total nett und die meisten sogar von eiiner herzliche Freundlichket, das kann man ja nicht anders sagen. Von anderen Seglern, die mal etwas von hier nach Hause geschickt haben, weiß ich, dass sich der deutsche Zoll bis zu 11 Tage nimmt für so eine Mini-Transaktion.

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Ausgeschlagenes, altes Zahnrad

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Jack und sein Gehilfe haben ziemliche Mühe, das Ding wieder zusammenzubauen. Heute noch kein Erfolg. Morgen müssen noch ein paar Zehntel-Millimeter abgedreht werden. Jedenfalls braucht es für die Montage eine hydraulische Presse. Mit Bordmitteln wäre dieses Ding weder auseinanderzunehmen, noch zusammenzubauen.

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